Dein Hund ist ein mieser Verräter

Ella steht total auf Herrchen. Und umgekehrt. Das ruft zuweilen bei Frau und Tochter liebevolles Pranken hervor. Im Familienjargon heißen Ella und ich inzwischen nur noch „die zwei emotionalen Schleimer“. – Pöh, selber Schuld, nur kein Neid! Zuerst schafft man sich gegen meinen Rat und entgegen all meiner Vorhersagen („Wass denkt ihr denn, wer letztendlich mit der Töle um die Häuser zieht?“) einen Hund an und wenn das Tier mich dann als Apha-Rüden anerkennt und liebt, dann sind wir die Gedizzten. Na ja, ist ja wohl auch ein wenig anerkennend gemeint. Aber trotzdem …

Eine vorher nicht bedachte Nebenwirkung dieses Zusammenpickens-wie-die-Kletten ist, dass ich inzwischen keinen unbeaufsichtigten Schritt mehr machen kann. Ich dachte schon, verheiratet zu sein wäre strange – „Wen rufst du gerade an? Wohin gehst du? Woran denkst du gerade?“ oder Vater zu sein – „Nein, darfst du nicht“ – Warum? – Weil ich es sage! – Warum?“, aber einen Hund zu haben, ist nochmal eine Steigerung. Keinen einzigen Schritt kann ich tun, ohne dass Ella meint „Da komme ich mit, ist sicher wichtig!“

Vielleicht kennt sie mich aber auch nur schon so gut, dass sie weiß, dass für sie immer etwas abfällt – zumindest, wenn es in Richtung Küche geht. Tatsächlich verhält es sich mit unserer Küche genauso wie früher mit dem antiken Rom, wohin bekanntlich auch alle Wege führten – von allen Zimmern geht’s in unserem Haus letztlich bis in Küche. Da läuft alles zusammen, nicht nur das Wasser im Munde. Eigentlich clever gemacht vom Architekten. Sichert letztlich das Überleben! Sollte ich mal tot aufgefunden werden, ist eines sicher: verhungert und verdurstet bin ich nicht. Spart man bei meiner Autopsie schon mal Zeit

Erst jetzt fällt mir auf, dass man auf dem Weg in die Küche auch immer an einem Klo vorbeikommt. Hm … welcher tiefe Sinn mag sich hinter dieser Planung verbergen? Vielleicht der, im Körper erstmal Platz zu schaffen, bevor man den Kühlschrank plündert? Aber ich schweife ab – zurück zum Thema und zu Ella.

Herrchen liebt Eis. Auch, nein, gerade spätabends. Wenn alle anderen schon schlafen, vor allem die Kalorienzähler. Wenn ich ohne vorwurfsvolle Blicke den Eis-Portionierer ungehemmt im Akkord schaffen lassen kann. Anschließend noch einen alten Hitchcock-Film eingelegt – Herz was willst du mehr? Leider ist mein Hund ein mieser Verräter. Das kommt so: Die Gefrierschublade der Kühlkombi klemmt. Wegen der Kälte. Im Kaufhaus, als man das Teil gründlich testete, kein Problem. Lief alles wie geschmiert. Aber in der Praxis erzeugt die Schublade beim Öffnen und Schließen ein lautes Schabgeräusch, dass durch Mark und Bein geht und Tote aufweckt. Wobei es mir egal wäre, wenn dadurch herbeigelockte Zombies oder andere Untote etwas abhaben wollten – ich teile gerne! Aber das Geräusch nervt Ella. Wenn Sie es hört, schlägt sie Alarm, was umgehend das SEK auf den Plan ruft – SEK steht für Schnelle Eingreiftruppe Kalorien. Kurz danach erscheinen Mutter und Tochter im Türrahmen und fragen mit vorwurfsvollem Blick, ob ich nicht verkündet hätte, abnehmen zu wollen! Ich hasse rethorische Fragen!

Nachdem Versuche gescheitert sind, das Geräusch mit WD40 zu mildern und selbst intensives Austauschen mit Leidensgenosssen in etlichen Webforen ohne Erfolg geblieben ist, wird mir klar, dass ein neues Kühlgerät her muss. Das klingt leichter gesagt, als in einem schwäbischen Haushalt durchgesetzt – bin doch sonst immer ich derjenige, der sich mit Händen und Füßen gegen ›unnötige Geldausgaben‹ sperrt. Zum Beispiel, wenn Frau und Tochter wieder mal Liebhaberstücke von mir entsorgen wollen – an dieser Stelle muss es mir gestattet sein nachzufragen, nach welcher Logik kleinste Löcher in meinen T-Shirts und Jeans ein ›No-Go‹ sind, übelste Risse in fabrikneuer Kleidung meiner Tochter hingegen ›voll cool‹. Wenn also ich sonst der Sparsame bin, wie erkläre ich dann, dass das immer noch ausreichend ›coolende‹ Kühlmöbel gegen ein neues ausgetauscht werden muss.

Mir ist klar, dass für diese Zusatzausgabe ein besserer Grund nötig ist, als eine knarzende Schublade. Damit ein neues Gerät mit einem garantiert lautlos zugänglichen Eisfach angeschafft werden kann, muss ein technischer Mangel her – echt oder getürkt. (Ups, darf man das eigentlich noch sagen?) Was soll’s – irgendwas muss also an unserem Kühlteil vorgeblich defekt sein. Muss ja kein richtiger Schaden sein, reicht ja schon, wenn die Kühlung für’n Tag oder zwei ausfällt. Eine geschickte Manipulation bei den Einstellungen und … – gottseidank lesen Frauen keine Bedienungsanleitungen, siehe Fernbedienungen. Ich sollte halt vorher genügend Styroporverpackungen bunkern, von wegen verderblicher Ware und auftauen. Yep, so mach ich’s – läuft!

Informiere mich (natürlich ohne Frauen) schon mal in den einschlägigen Elektromärkten. Vorort-Recherche anstelle von Google ist bei solchen Aktionen unerlässlich – von wegen Browserverlauf. Wäre ja zu blöd, wenn jemand, sagen wir mal ›Eiscreme‹ eingibt und Google gleich petzen würde „Männer, die nach Eiscreme suchen, haben sich auch über  Kühlkombinationen ohne knarzendes Eisfach informiert“ – ne ne ne, nich‘ mit mir!

„Ab welchen Minusgraden“ frage ich den Fachverkäufer, „ab welchen Minusgraden machen bei dem Gerät hier die Schubfächer Probleme?“

„Probleme“ will der Fachmann wissen, „Was’n für Probleme?“

„Na ja, ich habe ein Exemplar, welches das ganze Haus aufweckt, wenn man abends mal was rausholt! Die Gefrierschublage macht Geräusche wie Kreide auf ’ner Schiefertafel.“

„Verstehe,“ sagt der Mann, „aber das Geräte hier hat inzwischen spezielle Lager, da gibt es das nicht mehr.“

Klar, denke ich, Kühlgeräte-Entwickler haben auch Frauen. Der Fachmann geht die Broschüre holen.

„Was machst’n du hier?“, begrüßt mich eine bekannte Stimme. Sie gehört meinem Freund Dominic.

„Kühlschrank testen“

„Mönsch, so’n Zufall – kannst meinen haben! Noch fast neu! Und günstig“ schlägt Domi vor.

„Wenn der noch fast neu ist, warum behältst du ihn nicht einfach?“ will ich wissen. Der inzwischen zurückgekehrte Fachmann enthebt ihm einer Antwort: „Ach, gut dass Sie vorbeikommen!“ wendet er sich meinen Freund zu. „Ich habe mit dem Hersteller gesprochen, aber eine knarzende Schublade ist leider kein Mangel, der zum Umtausch berechtigt. Tut mir wirklich leid!“

Ich schaue meinem Freund tief in die Augen, dann drehe ich mich zum Verkäufer. „Sagen Sie mal,“ beginne ich, „wenn wir zwei Kühlkombis mit garantiert nicht knarzenden Schubfächern nehmen – da ließe sich doch sicher was am Preis machen, oder?“

Domis Augen leuchten auf: „Und das andere Teil spenden wir einfach einer garantiert frauenfreien Hilfsorganisation – ›Men’s Health‹ oder so!“

So machen wir es. Wir versichern uns der Hilfe eines kühltechnischen Unternehmens wegen einer Zwischenlagerung unserer Lebensmittel und ordern zwei Kühlschränke inklusive „garantiert nicht knarzenden“ Gefrierteilen. Anschließend planen wir die technischen Manipulationen. Am nächsten Tag stelle mich ostentativ vor unser Gerät und betrachte es lange mit schrägem Kopf. Was denn sei, will Heike wissen. Der Kühlschrank mache Geräusche. Sie könne nichts hören, sagt sie, nicht ohne hinzuzufügen: „Auf alle Fälle weniger als du nachts.“ Ha! Haha ha!

„Ich meine auch, der kühlt nicht richtig“, folge ich weiter meiner Marschroute. Da sei dann wohl leider ein neuer fällig. Es sei schon ein elendiges Pech, füge ich hinzu, typisch Murphy eben – was schief gehen könne, würde auch schief gehen. Heike schlägt vor, dass sich eine Fachkraft die Sache mal ansehen sollte.

„Wo willst du denn um die Uhrzeit einen Fachmann herbekommen?“ frage ich selbstsicher.

„Fachkraft, habe ich gesagt, nicht Fachmann. Eines von Flavias Girls ist Technikerin. Die chillt gerade mit den anderen Mädels in Flavias Zimmer.“

Klar kümmere sie sich gerne darum, freut sich die Spezialistin. Schön, dass sie ihr Wissen endlich mal an einem richtigen Problem ausleben könne. In Nullkommanix hat sie die Schwachstelle gefunden und behoben. Mein wasserdichter Plan leckt nun wie ein Schwamm. In drei Tagen soll das neue Teil kommen und jetzt das. Aber Murphy hat noch ein As im Ärmel – Heikes Handy klingelt. Tine ist dran:

„Stell dir vor“ tönt es aus dem Hörer, „gerade gibt unser nagelneuer Kühlschrank den Geist auf! Was soll ich jetzt nur tun?“

Heike wirft mir einen langen, wissenden Blick zu. Sie solle sich da mal keine Sorgen machen, beruhigt Heike die Freundin, sie hätte gerade eine Spezialistin zur Hand. Die würde das Problem in ›Nullkommanix‹ lösen!

„Meinst du wirklich?“, zweifelt Tine zaghaft.

„Darauf kannst du deinen A*** verwetten! Und ich meine damit nicht deinen Po!“ – – –

Morgen werden Domi und ich versuchen, unsere Käufe wieder rückgängig zu machen. Ich bin da guten Mutes, Verkäufer haben schließlich auch Frauen. Hoffentlich …

PS. Falls jemand ein probates Mittel gegen knarzende Gefrierschubladen weiß, bitte schreibt mir!